Das Berufsbildungswerk (BBW) der Rummelsberger Diakonie bietet über 35 verschiedene Ausbildungsberufe und berufsvorbereitende Maßnahmen für junge Menschen, die eine körperliche Einschränkung und/oder Lernschwierigkeiten sowie psychische und seelische Erkrankungen haben. Um allen jungen Menschen Bildung, Ausbildung und damit Teilhabe zu ermöglichen braucht es diese Einrichtungen, weiß Matthias Wagner. Der Regionalleiter für berufliche Bildung in der Jugendhilfe der Rummelsberger Diakonie ist Mitglied einer bundesweiten Fachgruppe und erklärt im Interview, weshalb er für den Erhalt der Chancengleichheit einen intensiven Dialog zwischen Kostenträgern und Einrichtungen für unerlässlich hält.
Mehr lesenAm 23. August startet das neue Ausbildungsjahr im BBW Rummelsberg. Die jährlich 80 bis 100 jungen Menschen kommen entweder über Jugendämter zu Ihnen oder über Arbeitsagenturen. Hält sich die Anzahl etwa die Waage?
Wagner: Ganz im Gegenteil. Über 90 Prozent der jungen Menschen, die bei uns eine Ausbildung beginnen, kommen über die Arbeitsagenturen. Im berufsvorbereitenden Bereich sieht das ähnlich aus. Hier sind es auch über 90 Prozent über die Arbeitsverwaltung und leider immer weniger über die Jugendhilfe.
Woran liegt es, dass aus den Jugendämter immer weniger junge Menschen den Weg zu Ihnen finden? Und welche Auswirkungen hat das?
Wagner: Staatliche Hilfe bei der Ausbildung von jungen Menschen bewegt sich an der Schnittstelle unterschiedlicher Leistungssysteme (SGB II, SGB III und SGB VIII). Die Jugendämter argumentieren hier oft, dass vorberufliche und berufliche Bildungsmaßnahmen das primäre Handlungsfeld der Bundesagentur für Arbeit seien und nicht das der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Auffassung teile ich nicht zumal die Kinder- und Jugendhilfe auch nach dem neuen Kinder- und Jugendstärkegesetzes (KJSG) Hilfen für junge Volljährige mit Ausbildungs- und Beschäftigungsformen verknüpfen kann. Es gibt also Unstimmigkeiten in der Kostenträgerfrage, die oft einen langwierigen Klärungsprozess nach sich ziehen und sich leider viel zu oft bis nach Ende der Ausbildungsplatzvergabe oder sogar Ausbildungsbeginn hinziehen.
Heißt das, die jungen Menschen können dann keine Ausbildung machen?
Wagner: Nein, nicht unbedingt. Aber bis zur Klärung, wer die Kosten der jeweiligen Maßnahme tragen muss, kommt es oft zu erheblichen Verzögerungen. Dann müssen die betroffenen Jugendlichen und jungen Erwachsenen warten, ehe sie mit der gewünschten Ausbildung starten können. Sie werden in ihrer ohnehin schon schwierigen Entwicklung weiter ausgebremst und erfahren einmal mehr, dass sie durch das „gesellschaftliche Raster“ zu fallen drohen.
Was bedeutet das für die jungen Menschen?
Wagner: Der Übergang von der Schule in eine Ausbildung und/oder den Beruf ist eine der wichtigsten Veränderungen im Leben von jungen Menschen. Ein Umbruch im Leben, der sehr krisenanfällig ist. Vor allem dann, wenn es nicht gelingt, beruflich und finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Junge Menschen, die in Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung aufwachsen, stehen in dieser Phase besonders unter Druck. Sie haben einerseits einen spezifischen Förderbedarf aufgrund sozialer bzw. individueller Benachteiligungen; andererseits müssen sie den Übergang ins Erwachsenenleben ohne elterliche Unterstützung und ohne ein tragfähiges familiäres Netz bewältigen. Hier kann eine Ausbildungs-Verzögerung eine Belastung zu viel sein und die Betroffenen in schwere Krise stürzen. Das gilt es zu verhindern. Wir dürfen Kostendiskussionen nicht auf den Rücken der Jugendlichen und jungen Erwachsenen austragen.
Wie kann dieser Entwicklung entgegengetreten werden?
Wagner: Gerade im Zuge der Corona-Pandemie wurde sehr deutlich, dass ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss ein wichtiger Faktor zur Vermeidung von (Langzeit-)Arbeitslosigkeit bei benachteiligten und/oder beeinträchtigten jungen Menschen ist. In vielen Bundesländern haben Arbeitsagenturen und Jugendämter deshalb gemeinsame Strategien entwickelt, um bei der Kostenübernahme einen möglichst reibungslosen Prozess zu gewährleisten, so dass alle jungen Menschen nach erfolgreichem Schulabschluss mit der gewünschten Ausbildung starten können.
Das wünschen wir uns auch für Bayern und fordern deshalb die Kostenträger zum gemeinsamen Dialog auf.
Wie stellen Sie sich diesen Dialog vor?
Wagner: Wir sind gerne bereit uns an diesem Dialog zu beteiligen und eine für alle Seiten gangbare Strategie mit zu entwickeln. Wir wollen jungen Menschen auch in Bayern einen unkomplizierten Weg in ihre berufliche Zukunft ermöglichen und ihnen berufliche Teilhabechancen eröffnen. Nur dann gibt es eine echte Chancengleichheit und Vielfalt in der beruflichen Entwicklung aller jungen Menschen.
Beratungs- und Anlaufstelle für von Wohnungslosigkeit bedrohte oder wohnungslose Alleinerziehende in Nürnberg schließt.
Mehr lesenNürnberg – Zum 30. November endet Projekt WinGS der Rummelsberger Diakonie nach fünfjähriger Laufzeit. „Und das, obwohl die Nachfrage durch von Wohnungslosigkeit bedrohte oder wohnungslose Alleinerziehende seit Projektbeginn stetig und immens gestiegen ist,“ berichtet Projektkoordinatorin Diakonin Annette Roß. Waren es im ersten Halbjahr 2021 insgesamt 21 Alleinerziehende die sich bei WinGS meldeten, so hat sich im Vergleichszeitraum 2022 die Zahl der um Beratung und Unterstützung anfragenden Alleinerziehenden mit 46 mehr als verdoppelt. „Und dabei sprechen wir noch nicht über die Geflüchteten aus der Ukraine,“ so Roß.
Von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind meist alleinerziehende Frauen mit kleinen Kindern in sehr schwierigen sozialen und existenziellen Notlagen. Hier unterstützt WinGS. Das Projekt basiert auf der Unterstützung durch Ehrenamtliche: „Wir schulen und beraten die Freiwilligen, die ihrerseits dann die jungen Mütter und Väter bei der Wohnungsfindung begleiten und beraten und ihnen anschließend das Einleben in der neuen Umgebung und in die Selbstständigkeit erleichtern“, erklärt die Diakonin.
Manchen Frauen reiche dabei schon eine Art Wegweiser über die nächsten notwendigen Schritte, beispielsweise Unterstützung bei der Beantragung eines Wohnberechtigungs-scheins, eine Beratung bezüglich vorhandener Schulden oder die Kontaktvermittlung zur Schuldnerberatung. Bei vielen der Hilfesuchenden ist es damit jedoch nicht getan. „Von Wohnungslosigkeit bedrohte Alleinerziehende müssen häufig an vielen Fronten kämpfen und sind hierbei nicht selten auf sich allein gestellt;“ berichtet Roß. Zur großen Sorge und Angst, für sich und die Kinder keinen Platz zum Leben – kein Zuhause zu haben, stehen die Mütter unter dem Druck, die finanzielle Basis für ihre Familie zu sichern.
Neuzugewanderte haben häufig keine Kenntnisse über das Antrags- und Verfahrenswesen und auch nicht über das für sie hilfreiche Netzwerk an Beratungs- und Anlaufstellen. Sprachliche Hürden kommen hinzu, ebenso fehlende Computerkenntnisse sowie die dazugehörige notwendige Ausstattung, wie Computer oder Scanner. Jede Absage nach den Wohnungsbesichtigungen führt zu mehr Niedergeschlagenheit und oft zu Hoffnungslosigkeit bei den Alleinerziehenden.
Ein Zuhause für Kinder
WinGS unterstützte die Alleinerziehenden. Sie erhielten Beratungen zu allen Fragen „Rund um das Thema Wohnen“ und darüber hinaus zu vielen anderen Fragestellungen. Bei Bedarf wurden sie auch an andere für sie hilfreiche Stellen weitervermittelt. Die Alleinerziehenden erhielten ein Schulungsangebot zur Mieterqualifizierung, das zum Teil auch mit Unterstützung von Sprachvermittlern durchgeführt wurde. „Besonders wertvoll zeigte sich die Begleitung der Alleinerziehenden durch unsere Ehrenamtlichen,“ sagt Diakonin Roß. Das Motto war hierbei „Hilfe zur Selbsthilfe“. Die Alleinerziehenden wurden befähigt von der Wohnungssuche bis zur Integration im neuen Wohnraum, mit dem Rückhalt durch WinGS und durch die ehrenamtlichen Wegbegleiter*innen, ihren Weg möglichst eigenständig zu meistern.
Zahlreiche Ein-Eltern-Familien, die WinGs begleitete konnten inzwischen eine eigene Wohnung beziehen. „Ein herzlicher Dank gebührt hier dem Bereich Wohnungsvermittlung vom Amt für Existenzsicherung und soziale Integration sowie den kleineren Wohnprojekten, die ihre Tür für Alleinerziehende „offen“ hielten, unseren Netzwerkpartner*innen und natürlich ganz besonders unseren Ehrenamtlichen,“ so Roß.
Viele Alleinerziehende mit ihren Kindern sind aber immer noch ohne eine eigene Wohnung – und es werden täglich mehr. „Sie werden auch Unterstützung auf dem Weg in eine eigene Wohnung für sich und ihre Kinder, benötigen, leider können wir hier ab Dezember nicht mehr helfen,“ bedauert Roß das Projektende. Schon jetzt könne die Beratungsstelle keine Alleinerziehende mehr neu in das Projekt aufnehmen. Bis Ende November werde jedoch keine der Alleinerziehenden vor verschlossener Tür stehen. „Wir machen mit den Frauen ein Beratungsgespräch, in dem wir die für sie notwendigen Schritte herausarbeiten und Ihnen einen Wegweiser mit an die Hand geben“, so Roß.
Die Projektkoordinatorin hofft sehr, dass es künftig neue ähnliche Projekte in Nürnberg geben wird und die Kinder mit ihren Müttern und Vätern nicht aufs Abstellgleis geraten. „Gebt den Kindern ein Zuhause! Das wünsche ich mir,“ schließt Roß.
Mehr über WinGS und den aktuellen Zwischenbericht finden Sie unter www.rummelsberger-diakonie.de/wings. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an weiss.amely(at)rummelsberger.net
Auch in Deutschland sind immer mehr junge Menschen schwer traumatisiert und erheblich in ihrer altersgemäßen Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklung noch einmal verstärkt. Es werden vermehrt Meldungen und Interventionen aufgrund psychischer Misshandlungen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufgezeichnet. Besonders betroffen sind junge Frauen und Mädchen. Für Sie bietet die Rummelsberger Diakonie seit 1. Juli Platz in einer neuen therapeutischen Wohngruppe in Nördlingen. Einen geschützten Raum, in dem sie sich sicher fühlen und ihre Weiblichkeit frei und vielfältig entwickeln können.
Mehr lesen„Wir haben bereits in den vergangenen Jahren immer häufiger junge Frauen mit therapeutischem Unterstützungsbedarf in unseren heilpädagogischen Mädchen-Wohngruppen aufgenommen“, berichtet Inge Kuhn, die seit 2002 Teamleitung bei den Rummelsberger Diensten für junge Menschen in Nördlingen ist. Da die betroffenen Mädchen und Frauen meist traumatisiert, selbstverletzungsgefährdet oder suizidal sind, benötigen sie eine viel intensivere pädagogische aber vor allem therapeutische Betreuung. Eine heilpädagogische Wohngruppe kann dies aufgrund des geringeren Personalschlüssels und kürzerer Betreuungszeiten nicht im benötigen Rahmen bieten Deshalb haben die Rummelsberger nun die heilpädagogische Wohngruppe mit bisher vier integrierten therapeutischen Plätzen in eine rein therapeutische umgewandelt, für insgesamt 6 Mädchen und junge Frauen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren, sowie einen zusätzlichen Inobhutnahme-Platz für weibliche Jugendliche in akuter Notsituation.
„Unser Ziel ist es, den Mädchen eine Aufwertung ihrer weiblichen Kompetenzen und Eigenschaften zu ermöglichen und sie zu befähigen aus ihren alten Mustern herauszutreten“, sagt Kuhn. Dabei arbeiten die sechs Pädagog*innen der Wohngruppe Hand in Hand mit drei pädagogischen und psychologischen Fachdiensten. Vielfalt bedeutet im Falle des Nördlinger Wohnangebots, dass traumatisierten Mädchen und jungen Frauen aus unterschiedlichsten Familiensituationen ein geschützter Raum geboten wird, in dem sie sich frei und ungezwungen fühlen dürfen.
Weiblichkeit in aller Vielfalt zulassen
„Die jungen Frauen kommen meist aus Familien, in denen das weibliche Geschlecht keine Wertschätzung erfährt, unterdrückt oder unterworfen wird“, so Kuhn. Beispielsweise, weil sie mit alleinerziehenden Mütter aufwuchsen, die ihnen nicht das Bild einer starken und selbstbewussten Frau vermitteln konnten. Viele haben aber auch Unterdrückung und Ausgrenzung durch ihre (Stief-)Väter und Brüder erfahren und waren psychischer und physischer, vor allem aber auch sexueller Gewalt ausgesetzt. Sie hatten keinen Freiraum zu freien Entfaltung und haben deshalb kein oder ein sehr ungesundes Selbstverständnis entwickelt.
„Wenn sie zu uns kommen, brauchen die jungen Frauen erst einmal ganz viel Nähe und Zuspruch, um das Erlebte loslassen zu können,“ erklärt Kuhn. Diese Mädchen benötigen einen Raum, der ihnen Schutz und Sicherheit bietet und sie zur Stärkung der Selbstakzeptanz befähigt. Eine geschlechtergemischte Wohngruppe ist hier kontraindikativ, da sie abermals Anfeindungen durch die Jungen und jungen Männer ausgesetzt wären. „Natürlich gibt es auch zwischen den Mädchen Konflikte und Streit. Doch die Entwicklung vom Kind zur Frau verbindet und ist hier eine essentielle Gemeinsamkeit.“
„Durch positive Entwicklungen helfen wir ihnen alte Muster aufzubrechen und die eigenen Stärken sowie Talente zu entdecken,“ so Kuhn. Dabei bestimmen die Mädchen das Tempo und gehen ihre ganz individuellen Schritte. Die 13- bis 18-jährigen sind in der Regel 1 bis 3 Jahre in der Wohngruppe. „In den ersten Wochen und Monate geht es eigentlich erst einmal um Stabilisierung, positive Erfahrungen und Vertrauensaufbau,“ berichtet Kuhn und fährt fort: „Anschließend unterstützen und fördern wir die Mädchen in ihren Stärken, helfen ihnen ihre eigenen Talente, aber auch ihre Grenzen und Schwächen kennenzulernen und zu.“ Sie dürfen ihre Wünsche, Ziele und ihre weibliche Rolle selbst definieren und bestimmen. Sich in aller Vielfalt entfalten.
Im besten Fall sind die jungen Frauen anschließend stark genug, in eine eigene Wohnung oder eine Verselbstständigung zu ziehen. Manche gehen aber auch weiter in andere Maßnahmen der Jugendhilfe, wo sie sicher sind und sich weiter entfalten können.
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